Der Begriff und die Kultur des „BDSM-Stammtisch“ sind eine Besonderheit der Szene. Viele können sich darunter nicht viel vorstellen, wenn ihnen der Begriff zum ersten Mal begegnet. Und dann dauert es meist noch eine Zeit, bis man sich durchgerungen hat, einen dieser Stammtische auch wirklich zu besuchen, um andere BDSM-ler kennenzulernen.
Doch dann kommen die Fragen: Was, wenn ich dort jemanden treffe, den oder die ich kenne? Was ziehe ich da an? Wie komme ich mit Leuten ins Gespräch? Werde ich als Anfänger:in ausgelacht? Hier eine kleine Einführung zum Thema „BDSM-Stammtisch“.
Der Beitrag zum Anhören:
Was ist ein BDSM-Stammtisch?
Eigentlich dasselbe, wie ein Stammtisch für Menschen mit einem bestimmten Hobby, wie etwa Rennradfahren. Man trifft sich also mit einer Gruppe oder in paar Leuten, die dasselbe Interesse haben in einem öffentlichen Lokal. Man tauscht Wissen und Erfahrungen aus, knüpft Kontakte und unterhält sich über dies und das. Nur in dem Fall geht es eben um BDSM.
Organisiert werden sie meist von langjährigen Szene-Mitgliedern, denen der Austausch und Kontakt mit kinky Menschen am Herzen liegt und insbesondere Neulingen den Einstieg erleichtern wollen.
Wo finden Stammtische statt?
Grundsätzlich in jeder größeren Stadt von Aachen bis Zürich in öffentlichen Lokalen. Manchmal in einem separaten Nebenraum, um ungestört sprechen zu können. Man kann gemeinsam etwas trinken und essen und so bei lockerer Atmosphäre ins Gespräch kommen.
Öffentlich? Wirklich?
Ja, genau. Von außen betrachtet sieht man der Gruppe nicht an, dass es sich um BDSMler handelt. Du brauchst daher keine Angst haben, jemand aus deinem Freundes- oder Bekanntenkreis könnte dich dort zufällig entdecken. Du bist eben mit ein paar Freunden da.
Was wenn auf einem Stammtisch jemand ist, den ich kenne?
Dann kannst du dich darüber freuen, dass du einen Bekannten oder eine Bekannte mit demselben Interesse hast. Schämen musst du dich einem solchen Fall überhaupt nicht, schließlich sitzt ihr im selben Boot. Auch ein unfreiwilliges Outing durch diese Person hast du mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu befürchten, denn das würde bedeuten, dass diese Person vor anderen ihren Stammtischbesuch zunächst selber erklären müsste. Die meisten BDSM-ler sind außerdem respektvoll, dass sie auf eine solche Idee nicht einmal kommen würden. Falls du trotzdem die Befürchtung hast, spreche die betreffende Person in einem ruhigen Moment darauf an.
Wie finde ich einen Stammtisch?
Wenn du schon Kontakte mit anderen BDSM-lern in deiner Nähe hast, werden diese dir mit Sicherheit weiterhelfen können. Ansonsten findest du die nötigen Informationen im Internet. Einfach bei Google „BDSM“, „Stammtisch“ und die gewünschte Stadt eingeben und schon werden dir Kontaktadressen ausgespuckt.
Solltest du auf dem Land wohnen, musst du vermutlich ein paar Kilometer Anfahrt in Kauf nehmen. Oder du schließt dich einem der Online-Stammtische an, die sich seit dem Beginn der Corona-Schutzmaßnahmen etabliert haben. Informationen dazu findest du ebenfalls auf einschlägigen Webseiten oder in Profilen engagierter Leute auf Social Media.
Kann jeder zu einem BDSM-Stammtisch gehen?
Ja und nein. Grundsätzlich ist jede Person mit Interesse an BDSM, die open minded ist willkommen. Allerdings haben manche Treffen eine Altersbeschränkung. Menschen die schon einmal negativ auf einem Stammtisch aufgefallen sind, sind außerdem nicht erwünscht.
Manche Gruppen geben Datum, Uhrzeit und Ort öffentlich einsehbar bekannt, andere den Ort und weitere Infos erst auf Anfrage, um die Teilnehmer vor Schaulustigen oder Möchtegerns zu schützen.
Es empfiehlt sich also immer, beim ersten Mal vorher eine E-Mail zu schreiben und sich kurz vorzustellen. So bekommen die Organisator:innen einen ersten Eindruck von dir und können besser planen, zum Beispiel wie viele Plätze reserviert werden müssen. Und du hast damit eine erste Bezugsperson, der du per Mail oder beim Treffen weitere Fragen stellen kannst.
Eines der häufigsten Suchergebnisse in diesem Zusammenhang im deutschsprachigen Raum sind vermutlich die Treffen der SMJG, einem bundesweit tätigen Verein für BDSM-Jugendarbeit. Doch Achtung: Die Angebote der SMJG richten sich an Menschen von 14 bis 27 Jahren. Solltest du in diese Altersgruppe passen, perfekt. Vermutlich gibt es kaum ein besseres Angebot für Jugendliche und junge Erwachsene mit Interesse an BDSM und besonders für Einsteiger. Solltest du älter sein, sieh dir einfach die weiteren Suchergebnisse an. Zum Glück gibt es im gesamten DACH-Raum genügend Angebote für Jung und Alt.
Wie verhalte ich mich auf einem BDSM-Stammtisch?
Toleranz ist das oberstes Gebot
Toleranz ist eines der obersten Gebote auf einem Stammtisch. Denn das BDSM- und Fetisch-Spektrum ist breit. Die Wahrscheinlichkeit, dass andere Teilnehmer Kinks haben, die du nicht nachvollziehen kannst ist auf einem Stammtisch immer gegeben. Reagiere in so einem nicht Fall nicht ablehnend oder urteilend, sondern verständnisvoll und tolerant. Sollte dir ein Gespräch nicht zusagen, kannst du dich außerdem jederzeit umsetzen. Bleibe aber auch in diesem Fall immer höflich und respektvoll.
Flirten, baggern, spielen? Eher nicht.
Offensives Baggern ist auf den meisten Stammtischen tabu. Solltest du als nur zu einem Stammtisch gehen wollen, um Spiel- oder Sexualpartner kennenzulernen, sorry. Denn die Treffen sind als Austausch und Informationsquelle gedacht. Manche Gruppen organisieren gelegentliche Sonder- oder Nebenveranstaltungen, auf denen Flirten und manchmal sogar Spielen explizit erwünscht ist. In der Regel achten die Organisator:innen aber sehr genau darauf, wer zu diesen hingehen kann und wer nicht.
Das bedeutet nicht, dass du eine Person, die dir auf einem normalen Stammtischtreffen gefällt, nicht ansprechen darfst. Belasse es dabei aber eher bei unverfänglichen Gesprächsthemen, statt in die Offensive zu gehen. Kommt meist auch so besser an.
Ein Blick in die Regeln hilft
Daneben hat jede Stammtischgruppe ihre eigenen Regeln, die auf der jeweiligen Webseite einsehbar sind. Es empfiehlt sich immer einen Blick in diese zu werfen, damit du weißt, was angebracht ist und was nicht. Das betrifft die Sache mit dem Flirten, aber auch Dingen wie Kleidung. Was uns zum nächsten Thema bringt.
Was ziehe ich an?
Alltagskleidung in der du dich wohlfühlst. Es mag verlocken sein, sich für ein Treffen unter BDSM-lern in Schale zu werfen. Bedenke jedoch, dass die Treffen in der Öffentlichkeit stattfinden. Etwas schicker ist ok, ein alltagstaugliches Halsband auch. Latexanzug und Lederharnisch jedoch sollten zu Hause bleiben.
Über was wird auf einem BDSM-Stammtisch gesprochen?
Über alles Mögliche. Die Gesprächsthemen reichen vom aktuellen Wetter und die Karte des Lokals bis hin zu Insider-BDSM-Tipps. Wie schnell das Gespräch sich von Small Talk hin zum Eingemachten entwickelt, hängt auch immer ein wenig von dir selber und der Stimmung ab.