Dieser Beitrag über Kink-Shaming basiert auf einem Post von unseren Freund:innen von bunt_lieben, einem Schweizer Projekt, das sich für mehr Sichtbarkeit der Vielfalt von Liebe, Sexualität und Romantik stark macht.
Was bedeutet Kink-Shaming?
Kink-Shaming beschreibt die Abwertung einer Person aufgrund ihrer sexuellen Vorlieben. Etwa weil sie sexuell erregt wird, wenn sie eine bestimmte Kleidung trägt oder gefesselt wird, also einen „Kink“ hat. Kink-Shaming findet zum Beispiel statt, wenn die Art wie eine Person ihre Sexualität auslebt als Grund angeführt wird, dass sie ein schlechter Mensch, inkompetent oder nicht bei Sinnen sei.
Kink-Shaming findet auch statt, wenn sich über eine gewisse Vorliebe lustig gemacht, diese als „krank“ bezeichnet oder versucht wird, jemanden aufgrund dessen, was er oder sie im Bett gerne tut, in Verlegenheit zu bringen. Auch ein unfreiwilliges Outing durch eine andere Person ist eine Form des Kink-Shaming.
Ähnliche Mechanismen gibt es beim Slut-Shaming, also der Abwertung einer meist weiblichen Person aufgrund der vermeintlichen Anzahl ihrer Sexualpartner oder der Homophobie, dem „shamen“ von homosexuellen Personen. Außerhalb des sexuellen Kontexts finden sich außerdem Begriffe wie „Fat-Shaming“, die die Diskriminierung einer Person aufgrund ihres Aussehens beschreiben.
Warum ist das wichtig?
Abwertendes Verhalten gegenüber sexuellen Neigungen wirkt sich negativ auf die Psyche der Betroffenen aus. Denn Kink-Shaming malt ein Bild dessen, was erlaubt, normal oder en vogue ist und was nicht. Sexualideale, die auch nicht-kinky Menschen hemmen, Wünsche auszusprechen und zwingen, sich zu verstellen.
Doch besonders Menschen, die sich noch am Anfang ihrer BDSM-Reise und damit einer sehr verletzlichen Phase befinden, können so leicht das Gefühl erhalten, das, was sie tun oder begehren, sei nicht in Ordnung, krank oder peinlich.
Bei Personen mit nicht kinky Sexualität führt Kink-Shaming möglicherweise zur Bildung oder Verfestigung von Vorurteilen, die in der schlimmsten Form in Mobbing, Ausgrenzung oder sogar existenzbedrohender Diskriminierung gipfeln können. Etwa, wenn eine Person aufgrund ihrer Sexualität ihren Arbeitsplatz verliert.
Wer betreibt Kink-Shaming?
Locker lustig im Alltag
Wer Kink-Shaming betreibt ist nicht auf bestimmte Gruppen zurückzuführen, sondern auf Individuen. Es können die Mitarbeiter:innen im Pausenraum sein, die sich über Masochist:innen amüsieren, ein Stand-Up-Comedian, der Witze auf Kosten einer sexuellen Minderheit macht oder die Pseudo-Dokumentation über BDSM, die sich nur für die Domina und nicht die Person dahinter interessiert.
Von Amts wegen bis in die Presse
Häufig wird auch von Ärzt:innen oder Psychotherapeut:innen berichtet, die abwertend auf bestimmte Vorlieben, Fantasien oder Praktiken reagieren. Andere erfuhren Diskriminierung von öffentlichen Stellen, etwa durch den Entzug des Kindersorgerechts.
In der Vergangenheit kam es zudem immer wieder zu Fällen, in denen Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen unter Druck gerieten, als ihre BDSM-Neigung bekannt wurde. Eines der prominentesten Beispiele ist der Fall des UN-Waffeninspekteurs Jack McGeorge aus dem Jahr 2003 oder der Fall eines Ehepaares im Belgien der 1990er Jahre, den der Film SM-Richter thematisiert.
Gar nicht so selten: Kink-Shaming in der BDSM-Community
Auch innerhalb der BDSM-Gemeinschaft ist die Abwertung bestimmter Praktiken ein verbreitetes Problem. Insbesondere über Kinks wie Ageplay, insbesondere DDLG, oder Rapeplay, Formen der Lebensgestaltung wie TPE (Total-Power-Exchange) oder Fetische wie die Vorliebe für Exkremente herrschen heftige Kontroversen bis hin zu kollektiver Ablehnung.
Das Problem: Da Kink-Shaming die Angst vor Ablehnung befeuert, trauen sich die Betroffenen noch weniger darüber zu sprechen, sodass sich auch innerhalb der Szene die Vorurteile verfestigen. Gerade dort, wo kinky Menschen hoffen verstanden und aufgefangen zu werden.
Es ist vollkommen ok, mit gewissen Kinks oder Fantasien nichts anfangen zu können, zu denken sie seien albern oder sogar daneben. Doch jemanden zu shamen geht zu weit. Vergesst nie, dass ihr selbst an der Stelle dieser Person sein könntet. Je nachdem, wem ihr gerade gegenübersitzt.
Manche dieser Vorlieben sind einfach kaum verbreitet und daher weniger nachvollziehbar. Andere wirken vordergründig als Ersatzhandlung für verbotene Praktiken oder nicht einvernehmlich. Andere erfordern gerade nach außen noch einmal gesondert klar zu machen, dass sie einvernehmlich geschehen. Wiederum andere befinden sich tatsächlich an oder jenseits der Grenze des Legalen, Gesunden oder Gesundheitsgefährdenden.
Hier gilt es, nicht vorschnell über einen Kink zu urteilen, über den ihr noch nichts wisst, sondern die Menschen zu ermutigen, offen darüber zu sprechen und unvoreingenommen zuzuhören. Macht euch zunächst ein umfassendes individuelles Bild und ordnet erst danach ein, ob eine Vorliebe oder Fantasie jenseits dieser Grenze liegt. Problematische Kinks zu kritisieren ist kein Kink-Shaming.
Was kann ich gegen Kink-Shaming tun?
Der vermutlich wichtigste Schritt, den wir in einer offenen und toleranten Gesellschaft machen müssen, wenn kinkshamendes Verhalten auffällt, ist „Stopp“ zu sagen und aufzuklären. Denn im Gegensatz zu Homophobie, Fat- und Slut-Shaming ist Kink-Shaming außerhalb der sexpositiven Community kaum ein Begriff. Das bedeutet auch, dass den Menschen, die dieses Verhalten an den Tag legen, häufig gar nicht bewusst ist, was sie damit anrichten können.
Es genügt also nicht, einfach nur zu sagen, dass wir offen sind, sondern diese Offenheit muss auch ernsthaft gelebt werden. Dies gilt auch für andere Mitglieder der queeren Community. Bei allen Formen von Shaming handelt es sich im Wesentlichen um Unterdrückungsmechanismen. Informiert euch über Kink-Shaming genauso wie über Sexismus, Rassismus, Homophobie, Transphobie. Sagt „Stopp“, klärt auf und steht Betroffenen zur Seite.
Wir danken bunt_lieben für die Inspiration und Bereitstellung von Teilen zu diesem Beitrag. Neugierig geworden? Auf buntlieben.ch findet ihr alles über Ziele, Events und das Engagement des Projekts.