Was genau ist weißer BDSM und warum heißt es so?

Weißer BDSM oder auch der „weiße Bereich“ im BDSM steht stellvertretend für Klinikerotik, also erotische Spiele mit einem Bezug zum medizinischen Bereich. Da dieser Bereich im Alltag mit weißen Räumen und einer sterilen Optik assoziiert wird, hat sich Begriff „weißer BDSM“ durchgesetzt. Andere Begriffe sind auch Doktorspiele, Klinikerotik oder Kliniksex. Im englischen spricht man von „Medical Play“.

Wie so oft im BDSM finden ich auch unter diesem Sammelbegriff zahlreiche Praktiken, wie zum Beispiel die Vorliebe für Rollenspiele für ärztliche Untersuchungen, medizinische Untersuchungsmethoden oder auch sexuelle Fetische für bestimmte Materialien wie Latex oder Edelstahl.

In vielen SM Studios gibt es für Spiele aus dem weißen Bereich oft einen extra Raum, der beispielsweise mit einem gynäkologischen Stuhl ausgestattet ist oder einen Nassbereich für Natursektspiele, in dem man auch Nadelspiele, Einläufe oder Harnröhrendehnung erleben kann.

Warum steht man auf weißen BDSM? 

Wie so oft im BDSM, handelt es sich bei diesen Themen um welche, die Angst bereiten oder sich zu einem Fetisch entwickeln können. Denn gegenüber den „Engeln in Weiß“ herrscht oft ein Gefühl von Ohnmacht, da sie im echten Leben für Macht oder Autorität gegenüber Patient:innen stehen. Aber auch für Fürsorge und Vertrauen.

Die meisten Klinik-BDSM-Praktiken versetzen jedoch den oder die Bottom in eine ausgelieferte oder „peinliche“ Situation. Als Patient:in muss man sich fügen und ertragen, so das Narrativ. So auch bei dieser Spielart. Doch genau diese Mischung aus Erniedrigung und Demütigung macht für die meisten den Reiz aus. Die Erotik kann aber wie oben erwähnt auch von dem verwendeten Materialien stammen.

Um das Gefühl des Kontrollverlust zu verstärken, wird zusätzlich auch oft Bondage betrieben. Allerdings mit Medizinbezug, wie etwa durch Zwangsjacken oder Segufix, einer medizinischen Fessel. Und natürlich haben viele der weißen Spielarten sadomasochistische Elemente, um Lustschmerz zu erleben.

Medizinische Gerätschaften sind in der Regel für körperliche Sondersituationen entwickelt, sie sollen den Körper fixieren, aufdehnen, festklemmen oder durchstechen. Sie sind dafür entwickelt einen Zweck zu erfüllen, der abseits gewöhnlicher Sextoys liegt. 

Weißer BDSM – warum steht man darauf?

Es gibt zahlreiche Praktiken, die je nach Kontext im weißen BDSM betrieben werden. Hier sind ein paar Beispiele:

  • Needle Play
  • Tackern
  • Einläufe
  • Sounding und Harnröhrendehnung
  • Rollenspiele wie etwa Arztbesuche oder Pfleger:in und Patient:in
  • Mumifizierung
  • Dentalerotik
  • Fixierungen (spezifisch Segufix, auf Krankentragen oder Zwangsjacken)
  • Einspritzungen von Kochsalzlösung
  • Tunnelspiele wie etwa Figging, das Auftragen von brennenden oder betäubenden Crémes und ähnlichem

Weißer BDSM- Worauf muss man achten? 

Welche Wirkung darf es sein?

Da weißer BDSM so ein weit gefasster Begriff ist, solltet ihr vorher abklären was genau ihr euch vorstellt – ob eher relativ harmlose Rollenspiele wie den berühmten „Doktorspielen“ oder Praktiken, die eine Gefahr für die körperliche Gesundheit darstellen können wie den ebenfalls oben genannten.

Krankheiten und Allergien abklären

Geschlechtskrankheiten stellen beim Spiel mit Nadeln oder anderen Dingen, die die Hautoberfläche verletzen, eine Gefahr da. Daher sollten alle involvierten Parteien auf Infektionskrankheiten getestet sein und ihren Status kennen. Außerdem sollte geklärt werden, welche Medikamente genommen werden, ob Diabetes, Kreislauf- oder Herzprobleme vorliegen und diese in Verbindung mit den gewünschten Praktiken ein Risiko für Leib und Leben darstellen, sowie ob eventuelle Allergien gegen bestimmte Materialien oder Inhaltsstoffe in Desinfektionsmitteln bei den Beteiligten vorliegen.

Nur medizinisches Material verwenden

Desinfektionsmittel, Nadeln, Handschuhe, Einläufe und ähnliches sollten immer aus dem medizinischen Fachhandel sein. Zwar bieten manche Erotikshops Materialien an, die als Klinikerotik ausgeschrieben sind, diese erfüllen jedoch in der Regel nicht den medizinischen Standard und sollten daher nicht für diese Zwecke verwendet werden.

Außerdem dürfen die eingesetzten Materialien nicht wiederverwendet oder müssen fachgerecht gereinigt werden, zum Beispiel durch Abkochen oder Desinfektion. Die Entsorgung, zum Beispiel von Nadeln, sollte am besten in einem speziellen Behälter erfolgen.

Gründliche Vorbereitung ist das A & O

Sowohl Materialien als auch Hände und die zu behandelnden Stellen müssen gründlichst desinfiziert werden, um das Infektionsrisiko klein zu halten, am besten mit einem alkoholhaltigen Desinfektionsmittel, das man in der Apotheke oder dem Shop des Vertrauens gleich mitkauft. Auch die direkte Umgebung sollte steril gehalten und mit separaten Gefäßen zum Aufbewahren und Ablegen ausgestattet werden.

Anatomie-Wissen aneignen

Für die meisten Praktiken aus dem weißen Bereich sind außerdem Grundkenntnisse in Anatomie notwendig, um das Risiko für ernsthafte Verletzungen so niedrig wie möglich zu halten. Nadelspiele, Sounding oder Bondage sind hier insbesondere zu nennen. Gelenke, große Venen oder Nervenstränge sind aber in der Regel auch mit Kenntnissen tabu. 

In jedem Fall lohnt es sich immer einen Workshop zu besuchen, um sich auf Klinik-Spielereien vorzubereiten. Für Praktiken wie etwa das Legen von Kathetern oder Blutabnahme ist die Einweisung durch Fachpersonal unabdinglich.

Weißer BDSM – Worauf es zu achten gilt

Wie bei allen Formen von Edgeplay solltet ihr vorher ein langes Gespräch über eure Limits und Grenzen führen. Dabei sollte es nicht nur wie oben schon erwähnt um das Abklären von physischen Faktoren gehen, sondern auch Transparenz über psychische Probleme wie Trauma oder Angstzustände geschaffen werden.

Da es sich bei Klinikerotik oft um extreme Spielarten handelt, ist Aftercare besonders essenziell. Ähnlich wie beim Knife Play, gilt es hier, langsam Nähe zu etablieren, klar zu stellen, dass die Angst nur ein Spiel war und eventuelle Verletzungen zu versorgen. Legt euch hierfür am besten einen konkreten Plan bereit. Während der Session sollte außerdem ein Telefon griffbereit sein, damit im schlimmsten Fall der Notruf gerufen werden kann.


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