Selbst in einer Community wie unserer, die offen über Sexualität und Sicherheit spricht, gibt es immer noch große Irrtümer über sexuell übertragbare Krankheiten, oder umgangssprachlich Geschlechtskrankheiten. Und doch kann jede:r eine bekommen, denn im BDSM sind die Ansteckungsmöglichkeiten durch eine breitere Palette an Praktiken besonders zahlreich. Die beste Prävention ist immer noch Aufklärung. Zeit ein paar Missverständnisse und Klischees aus dem Weg zu räumen.
Sie kratzt, sie stinkt, sie klebt
Das sangen schon die Ärzte und da ist auch sicherlich etwas dran, aber Geschlechtskrankheit ist nicht gleich Geschlechtskrankheit. Da im Deutschen das Wort aber sehr unspezifisch ist, unterscheiden Ärzte (also die echten) zwischen sexuell übertragbaren Infektionen („sexually transmitted infection“, kurz „STI“) und sexuell übertragbaren Krankheiten („sexually transmitted disease“, kurz „STD“). Denn nicht alle Infektionen führen auch zu einer Krankheit und nicht jede Krankheit beginnt mit einer Infektion. Sexuell übertragbaren Krankheiten jedoch geht in der Regel eine Infektion voraus. Einen Überblick über die häufigsten STIs und STDs und wie ihr diese erkennt und behandelt, findet ihr in Teil II dieser Serie. Die wichtigsten Übertragungswege findet ihr in Teil I.
1. Sexuelle Krankheiten sind selten!
Falsch! Tatsache ist, dass jede:r vierte Erwachsene in Deutschland bereits eine Geschlechtskrankheit hatte oder hat. Die WHO bezeichnete 2019 Geschlechtskrankheiten gar als „stille und gefährliche Epidemie“. Denn laut einem Bericht der Institution stecken sich weltweit pro Tag mehr als eine Million Menschen mit einer STI an. Unter den 15 bis 49-jährigen gibt es laut einer neueren Schätzung jedes Jahr 376 Millionen neue Infektionen mit Trichomonaden, Chlamydien, Gonokokken oder Syphilis. Dabei infizieren sich Menschen zum Teil mehrfach im Jahr mit mehreren Erregern. Die Statistik rechnet HIV nicht ein.
2. Wenn ich eine STI/STD hätte, würde ich das merken!
Ebenfalls falsch. Viele STDs haben keine sichtbaren oder nur unspezifische Symptome. Gentialherpes oder HPV, Krankheiten die übrigens jede:r dritte Erwachsene bereits hatte, sind oft komplett ohne Anzeichen. 50 Prozent der Männer, die mit Chlamydien infiziert sind, zeigen gar keine Symptome, bei den Frauen sind es sogar bis zu 75 Prozent. Auch HIV, Gonorrhoe, Hepatitis B können ohne Symptome über Jahre bestehen. Hier gibt es keinen Ausschlag, Ausfluss, Geruch oder Jucken.
3. Ich gehe zum/zur Gynäkolog:in, spende Blut oder hatte einen Bluttest. Die würden das doch diagnostizieren?
Bei einer gynäkologischen Untersuchung wird erstmal nur das Äußere betrachtet, sowie ein zytologischer Abstrich, auch Pap-Test genannt, gemacht. Dabei handelt es sich um eine Früherkennungsuntersuchung für Gebärmutterhalskrebs aufgrund einer HPV-Infektion. Ohne Aufforderung wird nicht auf weitere Krankheiten oder Infektionen untersucht, nicht einmal auf eine Pilz-Infektion. Und selbst wenn der HPV-Test positiv auffällt, erfolgt beim ersten Mal keine Benachrichtigung, da die Infektion mindestens sechs Monate bestehen muss, um als bedenklich zu gelten. Andere STIs muss man spezifisch testen lassen, Chlamydien werden bis 25 übrigens von der Kasse übernommen.
Bei einem Blutbild, welches beim Arzt erstellt wird, wird ebenfalls nicht nach sexuell übertragbaren Infektionen gesucht. Bei Blutspenden wird die Konserve immerhin auf HIV/Aids, Hepatitis und Geschlechtskrankheiten wie Syphilis untersucht, man wird aber nur bei positivem Ergebniss unterrichtet. Manchmal muss man extra nachfragen.
4. Ich bin Jungfrau / habe keinen Sex / nur einen Partner. Also kann ich mich nicht anstecken.
Falsch! Es gibt Krankheiten die über Speichel, Oralverkehr oder Analverkehr weiter gegeben werden. HPV beispielsweise kann sich über alle Schleimhäute, also auch durch Küssen, Fingern, Hand- und Blowjobs oder Schweiß übertragen. Herpes und Hepatitis können sogar durch das Teilen eines Rasierers, Hautkontakt und Speichel weitergegeben werden. Dementsprechend auch durch unsauberes Spielzeug, nicht gereinigte Untergründe und sonstiges Equipment.
Das heißt, du kannst dich auch angesteckt haben, wenn du nur mit einem oder einer Partner:in Verkehr hast oder hattest. Denn hinzukommen die Menschen, mit denen du manuelle oder orale sexuelle Erfahrungen geteilt hast, die du geküsst hast, mit denen du Essen oder Getränke geteilt hast, deren Kleidung oder Handtücher du benutzt hast oder nach denen du auf der Toilette warst. Indirekt hast du so auch mit allen Kontakt, mit denen dein:e Partner:in dieselben Erfahrungen geteilt hat.
5. Ich habe sexuelle Handlungen nur mit Kondom, also kann mir nichts passieren.
Ein Kondom stoppt nur Sperma und Sekret und damit nur die Krankheiten, die über diese übertragbar sind. Doch wie schon erwähnt, gibt es noch zahlreiche andere Infektionswege wie Oralsex und manuelle Handlungen, Küssen, nicht ausreichend gereinigte Spielzeuge und mehr.
Außerdem sind Bakterien deutlich kleiner als Spermien, sodass auch bei Kondomen ein Restrisiko besteht. Dennoch sind sie immer noch einer der sichersten Wege für geschützten Geschlechtsverkehr.
6. STDs sind heilbar und sie werden mein Leben nicht nachhaltig beeinflussen
Auch das ist bedauerlicherweise falsch. Während mittlerweile alle wissen, dass HIV nicht heilbar ist, gilt das auch für Genitalherpes, HPV und Formen von Hepatitis. Zwar können viele bakterielle, Pilz- oder andere parasitäre Infektionen gut behandelt und geheilt werden.
Andere jedoch können dauerhafte Konsequenzen für dich und deine Partner:innen haben. Chlamydien zum Beispiel können zu Vernarbungen an den Eierstöcken und sogar Unfruchtbarkeit führen. Unbehandelte Gonorrhoe kann zu einer Infektion des Herzens und des Nervensystems führen oder Fehlgeburten verursachen. Syphilis kann unbehandelt sogar zum Tod führen.
Neben den langfristigen Gefahren wie Krankheit und Tod, sowie den vielen Risiken für Föten, könne zahlreiche dieser sexuell übertragbaren Krankheiten auch akut zu unangenehmen Symptomen wie Entzündungen der Genitalien, Schmerzen und Brennen bei Berührung, Geschlechtsverkehr, Wasserlassen führen. Erfahrungen, die man sich wirklich sparen kann und sollte.
Fazit: Mit regelmäßigen Tests auf Nummer Sicher gehen
STIs und STDs sind unberechenbar. Safer Sex, Achtsamkeit und Hygiene reduzieren zwar das Risiko einer Ansteckung, dennoch bleibt immer ein Restrisiko, sowie die Möglichkeit, dass eine solche Krankheit symptomfrei verläuft und damit unentdeckt bleibt. Zur eigenen Sicherheit und der aller aktuellen und zukünftigen Beteiligten, sind regelmäßige Tests empfehlenswert. Mittlerweile lassen sich diese schon für wenige Euro selber zu Hause durchführen.
Das war Teil III der Deviance-Serie über sexuell übertragbare Infektionen. Auch interessant:
STI und STD Teil I: Übertragungswege
STI und STD Teil II: Die häufigsten Geschlechtskrankheiten
STI und STD Teil IV: Infektionsrisiken im BDSM
STI und STD Teil V: Safer Sex und BDSM