Aufgrund der breiten Palette an Praktiken, sind die Möglichkeiten zur Übertragung von Geschlechtskrankheiten im BDSM besonders zahlreich. Das Problem: Auch in der BDSM-Szene sind sexuell übertragbare Krankehiten und Infektionen kein Thema, das locker am Stammtisch aufgenommen wird. Oft wird gerne über alle Praktiken gefachsimpelt, jedoch selten genug aufgeklärt.

Dabei hat oder hatte bereits jede:r vierte Erwachsene in Deutschland eine solche Geschlechtskrankheit, wie STIs und STDs umgangssprachlich genannt werden. Das klingt nicht nur viel, sondern ist es auch. Da viele jedoch gar nicht wissen, dass sie eine solche Krankheit haben könnten, ist die Dunkelziffer mit großer Wahrscheinlichkeit sogar noch höher.

Was genau sind STDs und STIs?

Nicht jede Krankheit, die beim Geschlechtsverkehr übertragen werden kann, ist auch eine Geschlechtskrankheit. Dennoch wird das Wort für jede Art von Infektion oder Krankheit genutzt, die sexuell übertragbar ist, oder im Genitalbereich stattfindet. Ärzte unterscheiden zum einen zwischen „sexuell übertragbarer Krankheit“ und „Infektion“. Im Englischen „sexually transmitted disease“, kurz STD und „sexuelly transmitted infection“, kurz STI.

Denn nicht alle Infektionen führen auch zu einer Krankheit und nicht jede Krankheit beginnt mit einer Infektion. Sexuell übertragbaren Krankheiten jedoch geht in der Regel eine Infektion voraus. Die häufigsten sind Pilzinfektionen der Genitalien, HPV oder Feigwarzen und Genitalherpes. Zu den weiteren STIs werden folgende Erkrankungen gezählt: Syphilis, Tripper (Gonorrhoe), Weicher Schanker (Ulcus molle) und eine bestimmte Form der Chlamydieninfektion (Lymphogranuloma venereum).

Vor den meisten sexuell übertragbaren Infektionen kann man sich und andere Menschen durch Safer Sex schützen. Als ziemlich sicher gelten physische Barrieren wie Kondome, Latex, Femidome, Handschuhen oder Lecktücher. Werden Krankheiten früh erkannt und behandelt, sind die Heilungschancen in der Regel gut.

Wie sehen Möglichkeiten der Übertragung aus?

Es ist wichtig, die verschiedenen Übertragungswege für STIs und STDs zu kennen, um bei BDSM-Handlungen zu reflektieren, ob Infektionspotential besteht.

Kontakt mit ansteckenden Körperflüssigkeiten

Die meisten STIs werden über Körperflüssigkeiten übertragen. Dazu gehören:

  • Sperma
  • Scheidenflüssigkeit
  • Enddarmsekret (Flüssigkeitsfilm der Darmschleimhaut)
  • Blut und Menstruationsblut
  • Speichel
  • Muttermilch

Die Erreger, die in solchen Flüssigkeiten enthalten sind, können über verletzte Haut oder über Schleimhäute in den Körper gelangen. Dazu reichen mitunter schon winzige Menge und unbemerkte Reizungen aus. 

Kontakt mit befallenen Schleimhäuten und Hautveränderungen

Die Schleimhäute sondern Flüssigkeiten ab und nehmen diese auch auf. Sie sind oft die betroffenen Regionen von Infektionen. Dazu gehören:

  • Vaginalschleimhaut
  • Vorhaut
  • Harnröhreneingang
  • Darmschleimhaut
  • Mundschleimhaut
  • Augenschleimhaut
  • Nasenschleimhaut

Oft verursachen STIs Hautveränderungen, wie nässende Hautstellen, insbesondere Bläschen, Warzen oder Geschwüre. Beim Kontakt mit diesen kann es sehr leicht zu einer Übertragung kommen.

Schmierinfektion

Darunter versteht man die Übertragung, die durch den Kontakt mit einer kontaminierten Fläche entsteht. Über diese kann der Erreger via Schleimhäute oder Verletzungen ins System eindringen. Das funktioniert zum Beispiel von Mensch zu Mensch über Oralverkehr, aber auch, wenn Flüssigkeiten an die eigenen Hände oder Geschlechtsteile kommen. Die Übertragung über Gegenstände und Oberflächen ist auch möglich.

Übertragung nicht nur durch Sex oder Intimität

Die häufigste Übertragung von STIs und STDs findet bei sexuellen Handlungen statt. Normalerweise zählt man an dieser Stelle aber auch die Übertragung durch Drogenkonsum auf. Denn damit verbunden sind Spritzen, Bestecke, Röhrchen, Tupfer oder weiteres Zubehör.

Während Drogen in der BDSM-Szene weniger präsent sind, gibt es viele Praktiken, bei denen Utensilien benutzt werden. So können STDs und STIs zum Beispiel durch unsaubere Toys übertragen werden. Dazu zählen auch Schlagwerkzeug, Wartenbergräder und Seile, wenn diese mit Schleimhäuten in Berührung kommen.

Gerade im „weißen Bereich“ oder so genannten Klinikspielen, was von außen nach hohem Hygienestandard aussieht, spielt man paradoxerweise mit vielen Gefahrenquellen. Bei dieser Art von Spielen wird häufig etwas in den Körper eingeführt, die Haut verletzt oder mit Körperflüssigkeiten gespielt, wodurch ein erhöhtes Infektionspotential entsteht.

Doch STIs können auch über engen Körperkontakt, Bettwäsche, Handtücher oder Kleidung weitergegeben werden. Dabei handelt es sich am häufigsten um die eher harmlosen Infektionen, wie Filzläuse oder Krätze.   

Übertragung beim Küssen?

Nur wenige STIs werden beim Küssen übertragen. Oft sind nur geringe Mengen der Erreger im Speichel enthalten. Allerdings können ansteckende Hautveränderungen auch im Mund vorkommen. Übertragung durch Küssen kann also vornehmlich bei den Infektionen stattfinden, die mit Hautveränderungen einhergehen.

Eine Ausnahme ist das Pfeiffersche Drüsenfieber (Mononukleose), welches nicht ohne Grund „Kissing Disease“ genannt und oft durch Speichel übertragen wird. Die Virusinfektion zeigt sich mit  Halsschmerzen, geschwollenen Lymphknoten, Fieber und Mattheit.   

Wo finde ich Hilfe?

Testen lassen kann man sich generell bei einem oder einer Gynäkolog:in beziehungsweise Urolog:in, zum Teil sogar beim Haus- oder Hautarzt. Auch in den Gesundheitsämtern gibt es eine Anlaufstelle, genauso wie bei der Aidshilfe. Man findet auch einige private Anbieter, bei denen man sich vollständig testen lassen kann. Anbieter solcher Test sind zum Beispiel Samhealth, Zavamed und Verisana

Wem muss ich Bescheid sagen?

Um eine weitere Verbreitung von Infektionen zu vermeiden, sollte man natürlich all seine Partnerpersonen informieren. Die Aidshilfe bietet zudem eine Telefon- oder eine Onlineberatung, die sich mit diesem Thema auseinander setzt und euch in dieser Frage berät.

Rechtlich betrachtet müssen aufgrund des Infektionsschutzgesetzes HIV und Syphilis gemeldet werden. Das geschieht anonym über die Labormeldepflicht. Alle anderen STIs waren bisher nicht meldepflichtig. Sie wurden wurden zwischen 2003 und 2009 anonymisiert in einer Studie des Robert-Koch-Institutes gelistet. Als Ausnahme gilt Sachsen, das 2001 eine Meldepflicht für Gonorrhoe und Chlamydien-Infektionen einführte.


Das war Teil I der Deviance-Serie über sexuell übertragbare Infektionen. Auch interessant:

STI und STD Teil II: Die häufigsten Geschlechtskrankheiten

STI und STD Teil III: Irrtümer und Klischees

STI und STD Teil IV: Infektionsrisiken im BDSM

STI und STD Teil V: Safer Sex und BDSM

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