Drogen: Allein das Wort lässt viele Menschen nervös werden. Denn ihr Ruf ist es, verboten, gefährlich aber auch irgendwie erregend zu sein. Sie versprechen Enthemmung und Ekstase. Für viele klingt das nach einer Bereicherung, auch im BDSM. Doch genauso wie bei Alkohol ist auch die Kombination von Drogen und Sessions eine schlechte Idee. Intox Play, also das Spielen unter Drogeneinfluss, ist nicht umsonst eine der gefährlichsten Arten des Edgeplays. In diesem Artikel erklären wir euch warum:
SSC? Mit Drogen unmöglich!
Eines der einfachsten Grundprinzipien im BDSM, SSC, beruht auf der Bedingung, dass wir stets safe (sicher), sane (zurechnungsfähig) und consensual (einvernehmlich) spielen. Alle diese Dinge sind nicht mehr gewährleistet wenn wir berauscht sind, denn:
Safe: Drogen haben direkten Einfluss auf den Körper. Einige Folgen sind erhöhter Blutdruck oder Körpertemperatur, Schweißausbrüche, Hunger und Bewegungsdrang. Normalerweise kann man sich auf seinen Körper und dessen Funktionen verlassen. Drogenkonsum kann das ändern. Dazu später mehr.
Sane: Unter dem Einfluss von Drogen zu stehen heißt, nicht mehr bei Sinnen zu sein. Sogar Halluzination können auftreten. Grenzen und Limits können sich verschieben. Warnsignale werden zu spät erkannt. Kurz: Die Zurechnungsfähigkeit ist nicht mehr gewährleistet.
Consensual: Eine Person, die unter Drogen steht, ist rechtlich nicht einwilligungsfähig beziehungsweise oft sogar unzurechnungsfähig. Weder die empfangende noch die ausübende Person können vollständigen Konsens geben. Rechtlich ist die Zustimmung zur Körperverletzung unter Drogeneinfluss daher nicht wirksam. Somit macht man sich von Gesetzeswegen in jedem Fall strafbar. Mehr noch: Denn sexuelle Handlungen an einer Person unter Drogeneinfluss gelten in vielen Ländern sogar als Missbrauch. Willigt man high und enthemmt zu etwas ein, so kann es nach dem Ausnüchtern ganz anders aussehen. Ihr habt immer eine Verantwortung euch selbst und euren Spielpartner:innen gegenüber. Würdet ihr mit jemandem spielen wollen, bei dem oder der ihr nicht sicher sein könnt, ob eine Einwilligung gerade nur dem Übermut geschuldet ist?
Drogen und BDSM: Ein verlockender Höhenflug
BDSM und Drogen haben eines gemeinsam: Den Wunsch loszulassen. Doch kein natürliches High lässt sich mit einem künstlichen vergleichen. Unser Körper kann eine Menge eigenes Dopamin, Endorphine und andere wirksame Hormone ausschütten. Drogenindizierte Gefühlszustände liegen jedoch auf einer anderen Skala. Viele beschreiben einen intensiven Subspace als „fliegen“. Da klingt es nicht weit hergeholt etwas zu konsumieren, das Auftrieb gibt. Doch gerade wenn es um die ersten Erfahrungen geht, sollte man unbedingt Herr:in aller Sinne sein. Die Nervosität, die Bedenken, all das gehört dazu und sollte nicht betäubt werden. Denn nur wer deutlich spürt, wie er/sie sich fühlt, erkennt Red Flags und Grenzen. Sowohl die eigenen wie die der anderen Person. Drogen können das eigene Tempo unbewusst beeinflussen. Vor allem, wenn eine Person in einem anderen Space ist und nichts mehr mitbekommt.
Natürlich denkt man nicht nur beim ersten Mal spielen an Konsum. Einige Menschen betreiben bewusst Intox Play, eine extreme Form von Tunnelspiel und CNC. Während erfahrene und eingespielte Partner:innen sicher ihren eigenen Weg mit dieser Spielart gefunden haben, so sind diese Werte nicht allgemeingültig. Denn selbst bei Mikrodosen verschiebt sich die eigene und die Fremdwahrnehmung. Hier macht die Erfahrung auch nachlässig. Die Risikobereitschaft steigt. Egal wie gut du dich selbst und deine:n Partner:in kennst: Mit Rauschmittel im Blut werdet ihr euch eher überschätzen und Signale eher missverstehen als nüchtern.
BDSM und Drogen: Die körperlichen Auswirkungen
Wie bereits erwähnt ist die Reaktion unseres Körpers auf Drogen nicht zu unterschätzen. Der Kreislauf wird instabil und die Körpertemperatur ändert sich. Oft sind auch Reflexe und Gleichgewichtssinn gestört. Viele Drogen haben direkten Einfluss auf die Muskeln. Sie wirken entspannend oder erweitern die Blutgefäße und führen somit zu verändertem Blutdruckverhalten oder Herzfrequenzen. Ein Rauschzustand verändert die Körperwahrnehmung. Er stumpft dich ab oder lässt dich hyperfokussiert werden. Zudem besteht die Gefahr, dass wir unsere Kraft weniger gut einschätzen und kontrollieren können. Oft ist auch die Reaktionszeit stark beeinflusst, was dahingehend ein Problem darstellt, dass bei einem Unfall oder Versehen nur verzögert reagiert werden kann. Dadurch werden viele Praktiken absolut unsicher.
Genauso gefährlich ist es, wenn eine Person unter Drogeneinfluss seine/ihre körperlichen (und psychischen) Grenzen nicht mehr sicher abschätzen kann. Körperliche und vor allem psychische Limits sind in einem berauschten Zustand oft deutlich schneller erreicht, als man denkt. Durch die veränderte Wahrnehmung und die gesteigerte Empfindsamkeit ist ein Drop, also ein emotionales Tief, wahrscheinlicher.
Ein weiterer gefährlicher Aspekt: Eimal losgefahren lässt es sich schwer wieder zurückrudern. Wenn nach dem Konsum und/oder während des Spielens unerwünschte Nebenwirkungen auftreten, gibt es nur selten einen schnellen Ausweg. Denn je nach Droge hält der Rauschzustand bis zu mehreren Stunden an. Zwar kennen Konsument:innen mögliche Kontermittel, doch ein nüchterner Ausgangszustand ist im Ernstfall nicht unmittelbar wiederherzustellen. Kommt es zu Drops, Verletzungen oder einem anderen ungeplanten Abbruch der Session, kann das ein großes Problem werden.
Nachdem die Wirkung abklingt, folgt das Runterkommen und die Entgiftung des Körpers. Die Tage nach dem Konsum sind geprägt von Erschöpfung, Schwäche, Abgeschlagenheit und Verstimmungen. Regelmäßiger Konsum kann auch zu Entzugserscheinungen führen.
Die Sucht
BDSM macht süchtig, Sex macht süchtig, Drogen machen süchtig. In Kombination kann das eine hohe Abhängigkeit hervorrufen. Suchtkrankheiten sind einschlagend und lebensverändernd. Sie sind nicht zu unterschätzen oder nachlässig zu behandeln und können dramatische Folgen haben. Jemand der also zur Auflockerung oder regelmäßig unreflektiert den Konsum von Mitteln vorschlägt, der schwingt eine schreiende Red Flag. Es mag sein, dass es in eingespielten Beziehungen für manche Personen in Ordnung ist, Drogen in Maßen vor einer Session zu sich zu nehmen. Gehört aber ein Joint, eine Pfeife, Pille oder Pulver zum festen Warm-Up vor einer Session, so hat man ein Suchtproblem. Sind gar sexuelle Handlungen ohne Konsum nicht mehr möglich, dann hat mein seine Sexualität nachhaltig mit dem Drogenkonsum verknüpft.
Glamour Drogenrausch
Es gibt vermutlich genauso viele Lieder über Drogen, wie über Herzschmerz. Einige Musiker haben ganze Oden darüber geschrieben. Sie sind das passende Accessoire im Musikvideo und Requisiten für das Image. Ob Filme, Serien oder Bücher – Drogen haben einen verruchten Glamour in unserer Popkultur. Sie sind fester Bestandteil des Erwachsenwerdens, des Studentenlebens, der Partykultur und vom Festival-Leben. Für viele heißt es „das gehört einfach dazu“. Und je freundlicher sie verkauft werden, desto niedriger ist die Hemmschwelle etwas zu probieren.
Durch ihre Assoziation mit Grenzerfahrung und Exzess haben Drogen eine Präsenz in der Welt des BDSM. Es gibt Fetisch-Marken, in deren Kleidung sogar eingebaute kleine Taschen Platz bieten um Pillen, Pulver und Döschen zu verstecken. Innerhalb bestimmter Communities sind Drogen und BDSM beziehungsweise Sex eine eigene Subkultur, zum Beispiel mit eigenen Drogen-Themenparties. Leider wird hier oft das immer größere Extrem gesucht. Gefährliche Praktiken wie zum Beispiel Gangbangs, Fisting, Edgeplay, Bloodplay, oder Natursekt im Rausch erhöhen das Risiko von unsafem Sex.
BDSM ohne Drogen: No Risk – more fun!
Unter Drogeneinfluss miteinander zu spielen erhöht unvermeidbar das Risiko Grenzen zu überschreiten. Damit ist BDSM nicht mehr für alle Beteiligten so sicher wie möglich. Das gleiche gilt selbstverständlich auch für Alkohol, Betäubungsmittel und bestimmte Medikamente.
Wir versuchen beim BDSM immer alle möglichen Risiken auszuschließen. Oder zumindest uns diesen im Sinne von RACK bewusst zu sein. Alkohol und Drogen sind ein Risikofaktor. Auch wenn der Reiz groß ist: Seid euch den möglichen Auswirkungen bewusst. Drops, Verletzungen und Traumata sind den vermeintlichen Mehr-Spaß nicht wert. Um beim BDSM locker und entspannt zu werden, bedarf es Vertrauen und Kommunikation. Und keinen Joint.
Mehr Informationen zum Thema Intox Play und Chemsex
Mehr Informationen zum Thema sowie Therapiemöglichkeiten bei Abhängigkeit findet ihr auf der Seite der Aidshilfe Deutschland. So hat die Seite HIV and More den Konsum in Verbindung mit Sex der letzten Jahren aufgeschlüsselt. Allgemein wird Sex unter Einfluss harter Drogen auch als Chemsex bezeichnet. Prägender Charakter hinter diesem Begriff, der sich bereits 2001 in der Schwulen-Szene verbreitete, ist David Stuart, der in diesem Interview mit der deutschen Aidshilfe den Begriff erklärt.