Was ist der Hanky Code?
Der Hanky Code ist ein farbenbasierter so genannter „semiotischer Code“ mit dem meist innerhalb der LGBTQ+-Szene unauffällig kommuniziert wird. Hanky ist kurz für das englische Wort „handkerchief“, was Taschentuch bedeutet. Hierbei werden die sexuellen Vorlieben durch das Tragen eines Bandanas oder Stofftaschentuch in einer speziellen Farbe und/oder Muster signalisiert.
Aktive Parts auch Tops genannt, tragen es dafür links, Bottoms tragen es rechts. Trägt man das Tuch um den Hals ist man für beide Seiten offen, man könnte also auch von Switch sprechen. In der Schwulenszene wird es klassisch in der Gesäßtasche getragen, bei Lesben oder weiblich identifizierenden Personen auch an der Handtasche, ums Handgelenk oder der Brusttasche.
Warum nutzt man den Hanky Code?
Da die Bedeutung der Tücher Außenstehenden nicht bekannt ist, war und ist der Hanky Code ein geheimes sicheres Kommunikationsmittel für eine Szene, die lange verfolgt und diskriminiert wurde. Doch es geht nicht nur um Sicherheit, sondern auch um sexuelle Interaktion und effektive Partnersuche, indem anhand eines Hankys sofort erkannt werden kann, ob man dieselben Vorlieben teilt.
Bis Anfang der 2000er war diese Art der Kommunikation besonders verbreitet, hat durch die steigende Bedeutung des Online-Datings aber stark an Bedeutung verloren.
Das kleine 1×1 der Taschentücher
Der Hanky Code war lange Zeit fester Bestandteil der Party– und Clubszene in den USA und Europa, wurde aber über die Zeit in fast alle Teile der Welt getragen. Heute ist der Hanky Code so ausdifferenziert, dass nicht nur Farben sondern auch Muster so viele Spezifizierungen haben, dass viele den Überblick verloren haben.
Manchmal ist es etwas verwirrend, was rechts oder links getragen bedeutet. Beim Oralverkehr zum Beispiel heißt links „ich möchte verwöhnt werden“, auch wenn man „links“, also „aktiv“ als „ich möchte geben“ interpretieren kann. Außerdem gibt es oft auch regionale Unterschiede in der jeweiligen Bedeutung der Hankys, manchmal sogar von Lokal zu Lokal. Daher lässt sich kein finales oder endgültiges Glossar anlegen. Eine Übersicht der wichtigsten Codes findet ihr hier.
Auf Spurensuche: Die Anfänge im Wilden Westen
Das Hanky-Tuch findet seinen Ursprung im 19. Jahrhundert im Wilden Westen, wo es von Cowboys, Lokführern und Bergmännern getragen wurde, um die Zugehörigkeit zu den verschiedenen Berufsgruppen anzuzeigen. Als es in San Francisco zu wenige Damen beim Square Dance gab, signalisierten Männer, die auch die weiblichen Schritte tanzen konnten, ihre Bereitschaft mit links oder rechts getragenen Tüchern. So die Theorien, woher die Einflüsse stammen können.
Bis etwa 1970 setzte sich als Zeichen für Homosexuelle der so genannte „Key Code“ durch, bei dem ein Schlüssel in der Gürtelschlaufe getragen wird. Bereits hier zeigte ein links getragener Schlüssel „Top“ ein rechts getragener „Bottom“ an. In den 1970er Jahren entwickelte sich daraus der Hanky Code, welcher von der Jeans- und Lederszene genutzt wurde.
1975 berichtete das Time-Magazine über die Verwendung des Hanky Codes in der Lederszene und druckte eine Tabelle ab. Zur selben Zeit entwickelte sich durch die sexuelle Revolution nach den Stonewall-Riots eine Zeit der sexuellen Freiheit. Im Zuge der Aids-Pandemie gewann der Hanky Code allerdings noch mehr an Bedeutung. So wurden je ein Hanky für den infizierten Status und eines für Safer Sex hinzugefügt. Statt einer Einschränkung wurde Safer Sex nun als positive Wahl wahrgenommen.
Heutzutage ist Homosexualität in vielen Teilen der Welt weniger stigmatisiert, es gibt eine riesige Bandbreite an Plattformen, um sich kennen zu lernen und um sich über Vorlieben auszutauschen. Dadurch und auch durch seine Komplexität ist der Hanky Code inzwischen eher ein Relikt, als aktuelles Kommunikationsmittel. In der BDSM– und Fetisch-Szene ist er dennoch immer noch verbreitet und wird für bestimmte Aspekte auf Parties und Veranstaltungen weiter genutzt.