Es gab sie und es gibt sie immer wieder. Die Aufsehen erregenden Schnittstellen zwischen Fetisch und Fashion. Denn oft finden sich in der Mode Elemente, die wir aus dem BDSM– oder Fetischbereich kennen. Sodass man fragen könnte: Was war zuerst da? Haben die Designer:innen sich von Fetischen und BDSM-Accessoires inspirieren lassen? Oder haben erst Kinkster bestimmte Modetrends zum Fetisch auserkoren?
Die Geschichte von erotischer Mode
Sex und Mode gehören seit Menschengedenken zusammen. Selbst in den frühestens Überlieferungen der Menschheit findet man dafür Anzeichen. So kleideten sich die Menschen durch alle Epochen entsprechend dem jeweiligen Schönheitsideal und vor allem: Mit entsprechender Wirkung auf ihre Sexualpartner:innen. Besonders weibliche Geschlechtsmerkmale wurden bewusst betont. Sogar der Familienstand wurde durch bestimmte Kleidungsstücke zum Ausdruck gebracht.
Dabei gab es auch schon immer extreme Ausdrucksformen: Geishas schnürten sich die Füße ein, damit diese besonders zierlich wirken. Sie trugen extremes Make-Up und Frisuren. Im viktorianischen Zeitalter kultivierten Frauen in Europa die Wespentaille mit unnatürlich engen Korsetts. Naheliegend, dass mit der Zeit auch sexuelle Neigungen Ausdruck in der Mode fanden.
Nachdem Korsetts in den 20er und 30er Jahren immer mehr von Hüft- und Büstenhaltern abgelöst wurden, blieben Korsetts vor allem für erotische Zwecke erhalten. Zu dieser Zeit war es auch, dass die ersten pornografischen Fotografien auftauchten, auf denen Menschen bei SM-Aktivitäten in schwarzem Leder zu sehen waren.
Überbetonung weiblicher Formen und Schnürungen werden populär
In den 40ern erblickten die ersten Plateau-Absätze das Licht der Welt, sowie kegelförmige spitze BHs. Zu dieser Zeit entwickelte das Modehaus Dior auch den „New Look“, brachte unter anderem die Wespentaille-Mieder zurück und kombinierte sie mit Pfennigabsätzen und den besagten spitzen Büstenhaltern. Und auch die Männer kamen nicht zu kurz: In der Nachkriegszeit machte die Lederjacke nicht nur Marlon Brando zum Star, sondern ebnete auch den Weg für die Leather Culture.
Richtig spannend wurde es in den 60er Jahren. In „Mit Schirm, Charme und Melone“ stellte Agentin Emma Peel eine selbstbewusste, dominant wirkende Frau dar, die ihre Wirkung durch lederne Catsuits und Overknee-Stiefel unterstrich.
Im selben Jahrzehnt wurden Sexmagazine mit Fetisch-Fotografien gehandelt, Unternehmen stellten Gummi- und Lederkleidung her und Versandkataloge fingen an, speziellere Unterwäsche wie Posing Straps und Windelhöschen anzubieten. Auch die ersten Designer:innen wie Yves Saint Laurent und Mary Quant begannen Fetisch-Elemente wie Schnürungen, Leder und Wetlook in ihre Kollektionen zu integrieren.
In den 70ern gewannen sowohl Homosexualität als auch Sadomasochismus mehr an Akzeptanz und damit auch Leder. Designer:innen wie Vivienne Westwood und Karl Lagerfeld ließen sich mehr und mehr von Subkulturen, wie etwa der aufkommenden Punk-Bewegung inspirieren, welche gefährlich wirkende Elemente wie Stachel- und Hundehalsbänder, Ketten, Netzstrümpfe, Korsagen und Gummi in ihre Outfits integrierten.
Doch schon bald begannen auch die ersten Kaufhäuser von der Fetischwelt inspirierte Kleidung und Accessoires aus Leder oder mit Nieten und Korsettschnürungen anzubieten. Westwood gestaltete gar einen Laden im Stil einer SM-Boutique und bot dort sogar Bondage-Equipment an.
Im selben Jahrzehnt machte sich der gefragteste Modefotograf der Welt, Helmut Newton, eine Ruf als Provokateur und King of Kink durch seine schwarz-weißen, erotisch aufgeladenen und oft mit Sadomaso- und Fetisch-Subtext versehenen Bilder. Sein Hang zu dem, was damals als Sittenwidrigkeit galt, und seine freizügigen, provokanten Darstellungen nicht nur von Frauenkörpern spalteten die Gemüter – und inspirierten die Modewelt.
In den 1980er Jahren griff in der westlichen Welt die Gothic-Szene Elemente der Punks wie Leder, Korsagen und Netz auf und diese sind seitdem nicht mehr wegzudenken. Gleichzeitig breitete sich der Stil letzterer immer weiter aus, schwarz und Leder waren überall zu finden und galten als avantgardistisch.
Immer mehr Designer:innen und Stars der Popkultur integrierten diese Elemente, um zu polarisieren. So entwarf Jean Paul Gaultier seine bis heute charakteristischen Korsetts mit spitzen Brüsten und Lack-Ensembles. 1990 entwarf er für Madonna die berühmte Korsage mit Cone-Bra, mit Körbchen in Kegel-Form, die sie während ihrer „Blonde Ambition“-Tour trug.
Als Gianni Versace 1992 seine Bondage-Kollektion präsentierte, klagten Fetischist:innen weltweit, die Kollektion habe den Fetisch in den modischen Mainstream involviert. Im selben Jahr berichtete das Modemagazin Vogue, dass viele der international angesagtesten Designer:innen sich ihre Inspiration aus dem Bereich der „sexuellen Perversionen“ holten. Versace war es auch, der einen großen Anteil an der Homoerotisierung von Männermode hatte.
Tatsächlich rückte Fetisch-Fashion ins Rampenlicht, wurde von einer größeren Zielgruppe wahrgenommen und verbreitete sich – ganz unabhängig von den tatsächlichen Neigungen der Konsumenten. Auch weitere Designer:innen, wie Alexander McQueen und Thierry Mugler, griffen den Trend öffentlichkeitswirksam immer wieder in ihren Arbeiten auf. Letzterer entwarf gar eine Unterwäsche-Kollektion, die aus Leder, Metall und Latex bestand.
Fashion loves Fetish – Auf Spurensuche am Grabbeltisch
Anfangs lösten Materialen wie Leder, Lack und Gummi Skandale aus. Dennoch kam kein:e Designer:in an Ihnen vorbei. Denn Fashion basiert auf Kreativität und Mut. Oft entstanden Trends durch die optischen Vorlieben einer bestimmten Szene. Modemacher:innen brachten diese dann vom Rande der Gesellschaft auf die Laufstege. Damit machten sie respektabel, was vorher ein Tabu gewesen war.
Heute ist Fetisch-Mode mit Fashiontrends verschmolzen. So gut wie jedes Modelabel nutzt Materialien und Elemente, die wir aus dem BDSM-Bereich kennen. Schenkelhohe Overknees sind schon lange nicht mehr nur Dominas vorbehalten. Wetlook und Leder sind sogar bürotauglich. Auch Schnürungen, Nieten und Riemen gehören ins Repertoire fast jeden Designers oder Designerin. Choker sind nahe Verwandte der in der Szene beliebten Halsbändern und ein Trend, den Subs gern für den Alltag nutzen. In so gut wie jeder Wäsche-Kette findet man inzwischen Dessous mit Harness Elementen. Einst ein funktionales Geschirr für BDSMler:innen ist der Trend nun in abgeschwächter Form nicht mehr wegzudenken.
Justify Fetish Fashion
Nicht nur auf Laufstegen sind Elemente wie Latex, Leder und Harnesse zu finden. Auch Popstars haben mit ihren Outfits auf Bühnen, roten Teppichen und in Musikvideos entscheidenen Einfluss auf die Entwicklung der Mode genommen.
Bereits 1990, als Sadomasochismus und Voyeurismus zumindest im Mainstream noch ein Tabu waren, sorgte – mal wieder – Madonna mit ihrem Sklandalvideo zu „Justify my Love“, weltweit für Aufsehen, zwei Jahre später mit dem Video zu Erotica. Dabei war Ihre provokante Botschaft: SM ist kein Tabu und jede:r darf seine oder ihre Sexualität offen ausleben.
Auch George Michael spielte immer wieder mit SM-Elementen. Am bekanntesten ist das Video zu seinem Song „Freeek“ aus dem Jahr 2002, welches mit einer eindrucksvolle Fantasiewelt aus Latex, Cyberpunk und Unterwerfung spielt.
Weitere bekannte Beispiele aus jüngerer Zeit sind Rihanna und Lady Gaga. So präsentiert sich Rihanna in ihrem Video zu dem aussagekräftigen Song „S&M“ in farbenfrohen Latexgewändern, während Lady Gaga in „Alejandro“ gar ein Latex-Nonnenkostüm trägt, ihre Tänzer in Uniformen steckt, ansonsten jedoch Mieder, klassisches Schwarz und jede Menge Ketten bevorzugt.
Doch auch außerhalb ihrer Musikvideos können beide nicht die Finger von Latex und Harnessen lassen, so scheint es und tauchen auch auf Fotografien und roten Teppichen regelmäßig in provokanten Outfits auf.
Die Liste mit Beispielen aus der Pop-Welt sowie der Songs, die BDSM und Fetische thematisieren lässt sich endlos weiterführen. Doch denken wir zurück an die Frage von Anfang, ob nun die Henne oder das Ei zuerst da war: Vermutlich stimmt beides. Fetisch und Fashion haben sich wechselseitig beeinflusst und tun das heute noch. Im Endeffekt profitieren beide davon. Designer:innen schöpfen Kreativität aus der facettenreichen Welt des BDSM. Und Kinkster können durch die Mode ihr Inneres nach außen zeigen.