Content-/Triggerwarnung: Begriff „Sklave“, Begriff „Schlampe„
„Ist schon okay, wenn du dich schämst, das macht mich an.“
Ich bin das jüngste von drei Geschwistern, heißt, als meine Mutter mich bekommen hat, haben viele Techniken nicht mehr gezogen. Weder mich im Supermarkt auf dem Boden zu werfen, noch die Luft anhalten, noch Schmollmund ziehen. Das hat mich für viele Dinge desensibilisiert, zum Beispiel habe ich daher kein besonders ausgeprägtes Schamgefühl. Heißt, bis ich mich schäme, muss einiges passieren.
Wahrscheinlich stehe ich deswegen darauf, wenn Leute sich schämen, wenn sie einen roten Kopf bekommen, ein bisschen feuchte Hände und Augen, sich auf die Lippen beißen und diese kleine Geräusch machen, das ihr Unwohlsein ausdrückt. Für mich ist es das Höchste, wenn man sich der unangenehmen Situation ergibt, daraus Lust zieht und sich dafür dann nochmal ein bisschen mehr schämt. Quasi ein Erniedrigungs-Erregungs-Eiscreme-Sandwich.
Von hart, zart und Scham
Die meisten Menschen denken, wenn sie Erniedrigung hören an:
„Du ekelhaftes Sklaven-Schwein“, „Niederer Wurm“ oder „Dreilochstute“.
Dass es dann schwer fällt, sich das Kribbeln vor zu stellen, das Scham auslösen kann, kann ich verstehen. Allerdings gibt es genügend Menschen, die auch darauf stehen. Die Hemmschwelle, das erste Mal ein bisschen verspottet zu werden, ist oft hoch.
Erniedrigung kann aber damit anfangen, die reine Situation zu beschreiben, in der man sich befindet: „Du zitterst vor Aufregung, dabei hab ich dich noch nicht mal berührt. Das alles nur weil du gefesselt bist, nicht weißt, was auf dich zukommt, was passiert. Du bist mir ausgeliefert und dennoch kannst du kaum noch an dich halten.“ Hier kommt nicht ein Schimpfwort vor, aber wenn dir das mit einem Lächeln ins Ohr geflüstert wird, dann hat der Keller Hochwasser.
Meine Dominanz ist inzwischen oft leise, ich male Fantasien mit meinen Worten und ich platziere die kleinen Schimpfwörter, damit meine Spielpartner:innen sie mit Stolz tragen können. Wenn ich jemanden „meine Schlampe“ nenne, verleihe ich damit einen Titel, auf den man stolz sein kann, nachdem man sich ein bisschen darin gewunden hat, dass ich Recht habe.
Erniedrigend kann es sein, darum zu bitten geschlagen, angefasst oder sexuell stimuliert zu werden. Aber auch nach dem Orgasmus fragen zu müssen. Oder wenn man Stimulation nur bekommt, wenn man dabei den Text eines Queen-Songs aufsagt. Erniedrigend kann auch sein, wenn die Haut mit Wörtern, Sätzen und Symbolen verziert wird, man heimlich mit einem „Eigentum von“ auf der Brust zur Arbeit geht. Damit man weiß, dass unter dem Stoff die Besitzansprüche stehen, die eine:n ein Stück weit zum Objekt machen.
Bye Bye Klischee – Abbiegen zur Fantasie
Als ich des erste Mal jemanden „Schlampe“ nennen durfte, machte mein Herz die Sorte Sprung, der sich tief im Unterleib manifestiert. Es hat Klick gemacht.
Langsam hineinfühlen, nachdem ich erst einmal die Hemmschwelle überwunden habe, beim Spielen permanent zu reden. Danach ging vieles ganz automatisch. Dabei seien wir ehrlich, die war für mich als mitteilungswütige Millennial nicht so hoch. Habe ich erstmal einfach erzählt, was passiert, wie die Menschen reagieren, wie sie sich anfühlen, habe ich dadurch auch einfach Situationen herbeigeführt, in denen es viel zu fühlen und beschreiben galt. Mit einem Knebel sabbert man sich voll (Speichel ist übrigens an sich schon für viele Menschen erniedrigend), Spankings geben einen roten Hintern, ein Magic Wand lässt die Knie wackelig werden. Das ist ja dann wirklich nur eine ausgeschmückte Beobachtung, quasi Sub-Watching. Vielleicht sollte man dafür mal ein Panini-Album rausbringen.
Schambehaftete Rollenspiele
Inzwischen kombiniere ich Erniedrigung deshalb mit einer meiner anderen Leidenschaften: Rollenspiele. Nicht zuletzt, weil man in seinem echten Rollen oft riskiert, jemanden zu verletzen, kann man mit dem Anlegen einer anderen Identität einige Dinge ablegen. Als Ärztin oder Arzt ist man Patient:innen gegenüber schmerzbefreit. Diese können sich natürlich trotzdem herabgesetzt fühlen durch die Untersuchung. Aber man hat ja Pflichtgefühl der Gesundheit gegenüber und wenn man doch so angewiesen wird… ihr seht worauf ich hinaus will? Tatsächlich haben wir so eine ziemlich volle Kostümkiste aus der sich Patient:innen, Tiere, Maids, Sklav:innen und alle möglichen Rollen erschaffen lassen. Während ich auf Rollenspiele stehe, stehe ich nicht auf Rollenklischees. So schimpfe ich in Schuluniform auch gerne meine Lehrer:innen aus, weil sie vor Erregung nicht an sich halten können oder gebe auch mit Katzenöhrchen meinem Personal die Befehle.
Aber auch ohne aufwendige Kostüme lässt sich der Komfortzone entschlüpfen – natürlich mit ausgesprochenem Consent. Ist jemand erst einmal gefesselt, geknebelt und kann nichts mehr sehen, kann man denjenigen in jedes Kopfkino-Szenario entführen, das einem einfällt. Was wäre, wenn ihr an einem Ort voller Menschen spielt, die nur zuschauen oder auch mehr. Oder wenn man zur freien Verfügung steht, als Spucknapf herhält, zum Lustobjekt erklärt wird? Oder doch nur in die Ecke gestellt wird und mit den verbliebenen Sinnen erraten muss, was um einen passiert? Was ist, wenn man die Illusion von Orten, Menschen und Dingen kreiert, unterstützt von Equipment oder nur dem eigenen Körper? Die Sorte Gefühlt erschafft, die einen danach seine eigene Gewissenhaftigkeit in Frage stellen lässt.
Fazit: Erniedrigung? Ja, aber bitte mit Sahne
Ihr seht, an meinem Liebesbrief ans Schamgefühl, an meinem Eiscreme-Sandwich und den zahllosen Beispielen, die ich hier gebracht habe: Ich verstehe mich als Botschafterin der Scham. Oder auch als Dolmetscherin fürs Schimpfen, als Verfechterin der Unbehaglichkeit und als offene Bekennerin des Vorführens, Aus- und Bloßstellens. Im Endeffekt: All diese Dinge tue ich in tiefster Zuneigung und Respekt vor meinem Gegenüber. Der Unterschied zwischen erotischer Erniedrigung und Arschloch-Sein ist das Vorgespräch über Grenzen und Limits, die Verhandlung über die Einwilligung, das Safeword und ausgiebige Aftercare – in der es auch gerne ein Eiscreme-Sandwich geben darf.