In den Deviance-Erfahrungen teilen Mitglieder der Deviance-Community ihr ganz persönliches Erlebnis, das etwas verändert hat. Los geht es mit Anna, 32 Jahre aus München, die plötzlich einen Namen für ihre Vorlieben fand, die sie eigentlich nie für anstößig gehalten hatte. Stattdessen sollten sich doch die anderen mal locker machen. Bis sie jemanden bei Tinder traf, den sie nur noch den „Tinder-Cuckold“ nennt.
Erst einmal Tinder runterladen
Ein befreiendes Gefühl machte sich in mir breit, als ich per Whatsapp-Nachricht verlassen wurde. Denn ich freute mich darauf, wieder neues entdecken zu können, neue Menschen, Körper und Fantasien kennenzulernen. Ich war wirklich ausgehungert. Also dauerte es keine 36 Stunden, bis ich Tinder heruntergeladen hatte und keine 48 bis zu meinem ersten Date.
Eines meiner Matches kam direkt zur Sache und erzählte mir, wie sehr es ihn anmacht, wenn wenn seine Partnerin mit anderen schläft. Egal ob er dabei ist oder nicht. Mit der Wortwahl hat er sich noch zurückgehalten, immerhin waren wir immer noch Fremde auf Tinder. Ich fand es ungewöhnlich, aber nicht abstoßend. Im Gegenteil. Ich dachte mir, gerade jetzt, wo ich vorhabe, meine sexuellen Facetten wieder mehr zu erkunden, könnte es sehr interessant sein, zu erfahren, was hinter einer solchen Fantasie steckt. Und mich machte an, dass er so offen darüber sprach.
Wir trafen uns noch am selben Abend in einer Bar und er erzählte mir mehr darüber. Unter anderem erzählte er mir, dass er Switch sei. Davon hatte ich noch nie gehört, fragte aber auch nicht, was das bedeutet. Dennoch stellte ich intuitiv die richtigen Fragen, wie zum Beispiel, ob dieser Wunsch etwas mit Erniedrigung der psychischen Art zu habe. Auch wenn ich mit seinem Modell für mich persönlich nicht viel anfangen konnte, konnte ich seine Neigung nachvollziehen. Abgesehen davon war er ein wirklich hübscher Kerl und ich hatte Selbstbestätigung dringend nötig. Nicht die beste Motivation, ich weiß.
Was ist denn bitte ein Switcher?
Im Nachhinein weiß ich, was er mit „Switcher“ meinte. In den nächsten Stunden vögelten wir sieben Mal und er zögerte auch nicht, mir Ohrfeigen zu geben oder mich zu beschimpfen. Normalerweise reagierten die Männer, mit denen ich schlief, sehr ablehnend auf diesen Wunsch. Auch hier wurde mir aber erst im Nachhinein klar, dass es nicht an ihnen lag, sondern an mir. Und natürlich auch, wie leichtsinnig das mit jemandem war, den ich am selben Morgen erst bei Tinder kennengelernt hatte. Zu der Zeit wusste ich es aber nicht besser.
Wir trafen uns ein paar Tage später bei mir, obwohl ich eigentlich gar nicht so wirklich Lust hatte. Wir hatten zwar ein wunderbares Wochenende, waren aber intellektuell nicht auf einer Ebene. Daher wollte ich eigentlich nur meine Ruhe und schlafen gehen. Er versuchte, was zu starten, doch ich wies ihn ab. Was ihn noch schärfer machte. Er bettelte mich an, mich ficken zu dürfen, doch ich verweigerte es ihm. Stattdessen sollte er es mir mit der Hand machen.
Danach meldete ich mich nicht mehr, denn ich konnte mit ihm als Person leider nicht so viel anfangen. Er jedoch schrieb mir immer wieder, obwohl ich nicht antwortete. Eines Tages reichte es mir und ich wurde wirklich unfreundlich und verletzend. Erst als er mir schrieb, dass es ihn anmache, wenn ich mich nicht melde unfreundlich bin, habe ich es verstanden. Er hatte das Ganze für ein Teil des Spiels gehalten.
Entsetzte Reaktionen beim Brunch
Zwei Wochen später war ich zu einem Geburtstagsbrunch eingeladen. Ich fand die Geschichte eigentlich ganz witzig. Nicht wegen seinem Fetisch für fremdgehende Partnerinnen, sondern wegen seiner treudoofen Nachrichten.
Ich erntete entsetzte Blicke. „Der muss zum Psychologen“ und „Das ist doch krank„, waren die Reaktionen. Damit meinten sie nicht, dass er nicht der hellste war, sondern seinen Wunsch nach einer Frau, die ihn erniedrigt, indem sie es mit anderen treibt. Und ich verteidigte ihn in dem Punkt, der für mich völlig schlüssig war.
Nach dieser langen Vorgeschichte komme ich nun zu meinem Aua-Moment. Eine der Anwesenden, die ich bis dahin nicht kannte, nahm mich nach dem Brunch zur Seite und sagte mir: „Du kannst sowas nicht einfach erzählen. Das hat was mit Erniedrigung zu tun.“ „Ja klar, ich weiß. Ich habe ihn ja gefragt. Ist doch heiß“, antwortete ich. „Weißt du was ein Cuckold und BDSM ist?“ Na klar, wusste ich was BDSM ist. Dachte ich zumindest. „Und für dich ist nachvollziehbar worauf er steht und warum?“ Auch das bejahte ich. Vor allem bewunderte ich, dass er klar und offen über „diesen Tick“ sprechen konnte. „Du solltest dich mal mit dem Thema auseinandersetzen. Ich glaube du findest dich in dem ein oder anderen Bereich wieder.“ Ich fragte: „Was ist das andere? Kack Holding? Nee, das wollte er nicht.“
Nun heißt er also nur noch „der Tinder-Cuckold“
Der zufällige Geburtstagsgast wurde eine gute Freundin von mir und klärte mich über vieles auf. Sie gab meiner Bekanntschaft auch den Namen „Tinder-Cuckold“. Außerdem habe ich alles verschlungen, was ich zu den Themen Fetisch und BDSM finden konnte. Plötzlich machte alles einen Sinn. Viele meiner Fantasien und exzessiveren Praktiken, die in der Vergangenheit mal so passiert waren. Und die Pikiertheit der Leute auf meine Sprüche, Geschichten und Gedanken in der Vergangenheit. Seit dem Tinder-Cuckold und dem Geburtstagsbrunch weiß ich: Was für mich normal ist – selbst das komplexe Cuckolding-Konzept – ist es für andere nicht. Es liegt nicht daran, dass die anderen so prüde sind, sondern daran, dass ich ein anderes Verständnis von Sexualität habe. Übrigens: Ich bin weder Cuckoldress noch Dom. Ganz im Gegenteil, ich bin eine klassische Sub.