Was ist der Christopher-Street-Day?

Der Christopher-Street-Day, kurz CSD, ist eine Demonstration der LGBTQ+-Community , die ihren Ursprung in den Vereinigten Staaten fand. Man kennt ihn vor allem als Paraden, die im deutschsprachigen Raum in verschiedenen Städten an verschiedenen Wochenenden vor allem, aber nicht nur, in den Monaten Juni und Juli stattfinden. In Deutschland finden die größten Veranstaltungen in den Städten Köln und Berlin statt, aber fast jede Großstadt kann ein Event vorweisen. In englischsprachigen Ländern wird meist von der „Gay Pride“ und „Pride Parades“ gesprochen. Weltweit wird der Juni als Pride Month gefeiert.

Die Paraden widmen sich Schwulen, Lesben, Asexuellen, Aromantischen, trans und inter Menschen sowie Bisexuellen und andere queere Menchen und ihrer Unterstützer:innen. Was von außen wie eine einzige große Party aussieht, hat vor allem einen politischen Auftrag: Nämlich die Sichtbarkeit und Integration der LGBTQ+-Community in der heteronormativen Mehrheits-Gesellschaft, die Normalisierung alternativer Lebensstile und die Beendigung von Diskriminierung.

Eine der Flaggen der Pride-Bewegung.
Quelle: Wikimedia Commons.

Ursprung des CSD

Ursprung des CSD ist der Aufstand von Homosexuellen und anderen gesellschaftlichen Minderheiten gegen Polizeiwillkür in New York. In den frühen Morgenstunden des 28. Juni 1969 startete in der Christopher Street im Stadtteil Greenwich Village der sogenannte Stonewall-Aufstand, benannt nach der Bar „Stonewall Inn“. Hintergrund dessen waren regelmäßige, zum Teil gewalttätige Razzien in Kneipen mit homosexuellem Publikum, denn Homosexualität war bis 2003 illegal. Afroamerikanische und lateinamerika-stämmige Personen mit homosexuellen Neigungen waren hierbei besonders häufig Opfer von Misshandlung und willkürlichen Verhaftungen.

Das Gesetz, dem diese Razzien galten, war auch eines das speziell Crossdressing verboten hat. Es ging nicht also nur um homosexuelle Neigung sondern auch um queere Geschlechtsidentität. An jenem Abend wehrten sich (vor allem) Dragqueens, Schwarze trans Personen sowie Latinxs gegen diese Ungerechtigkeit. Es kam zu tagelangen Schlachten mit der Polizei von New York.

Geschichte des Christopher-Street-Day

Ein Jahr später, zum ersten Jahrestag dieses Aufstandes, wurde das „Christopher Street Liberation Day Committee“ gegründet. Seitdem wird in New York jährlich am letzten Juni-Samstag der „Christopher Street Liberation Day“ gefeiert, der mit einem Straßenumzug an die Ereignisse erinnert. In einer Ausgabe vom November 1970 berichtete die FAZ in einem eher kritischen Tonfall über den Umzug, unterließ jedoch den Hinweis, auf den Ursprung ein Jahr zuvor und die Übergriffe der Polizei auf queere Menschen:

[…] Mit seidenen Bannern und trotzigen Plakaten zog kürzlich eine eigentümliche Parade durch New York. […] 

FAZ: ‚Aufstand der Homosexuellen‘ – Vollständiger Abdruck auch in ‚Over the Rainbow. Ein Lesebuch zum Christopher Street Day‘. MännerschwarmSkript, Hamburg, 2001, Seite 9.
Hrsg.: Detlef Grumbach.

Seit wann wird der CSD bei uns gefeiert?

In Europa wird erst acht Jahre später der Hinweis auf die Geburtsstunde des CSD, die „Stonewall-Riots“ publik. Auf einmal nahm auch in Europa die Euphorie für den CSD richtig Fahrt auf. Denn was vorher von der Bevölkerung als spaßige Parade wahrgenommen wurde, wird nun zu einer Veranstaltung, die Aufmerksamkeit im Kampf für Gleichberechtigung schaffen sollte. Zahlreiche Organisationen und Vereine beginnen, den Christopher-Street-Day in unsere Städte zu holen. Inzwischen liegt das Hauptaugenmerk auf der Sensibilisierung für die Rechte von queeren Menschen und der Aufmerksamkeit für alternative Lebensformen.

Am 30. Juni 1979 organisieren die „Schwule Aktion Bremen„, die „Schwule Aktion Köln“ (in Zusammenarbeit mit der Gay Liberation Front) und die „Homosexuelle Aktion Westberlin“ die ersten Veranstaltungen unter dem CSD-Aspekt unter der Bezeichnung „Gay Pride International – Schwuler Karneval“ und „Gay Freedom Day“. In Stuttgart fand eine Demonstration mit rund 400 Teilnehmern statt. Es gab jedoch noch keine einheitliche Struktur. In Bremen hatte der Gay Pride International den Charakter eines Demonstrationszuges vom Hauptbahnhof bis zum Marktplatz, in Köln hingegen gab es eine Abendveranstaltung mit Filmen, Informationsständen und Tanzparty. Die erste CSD-Veranstaltung in Österreich fand am 26. Juni 1982 mit einer Fackelparade statt. Seit Juni 1996 wird der Christopher-Street-Day unter dem Namen Regenbogenparade in Wien abgehalten.

Bei allen Veranstaltungen in Deutschland stand die Forderung zur Abschaffung des § 175 und der Abbau von Diskriminierung im Vordergrund.

Der § 175 StGB existierte vom 1. Januar 1872 (Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuches) bis zum 11. Juni 1994. Er stellte sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe.

Christoper-Street-Day in Europa

Pride-Umzüge finden inzwischen den ganzen Sommer über in Belgien, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, der tschechischen Republik, in Dänemark, Finnland, Estland, Frankreich, Lettland, Litauen, den Niederlanden, Norwegen und Polen statt. Außerdem in Rumänien, Serbien, der Slowakei, Spanien, Schweden, der Schweiz, Griechenland, Irland, Italien und Ungarn sowie dem Vereinigten Königreich.

Dass die Wichtigkeit dieser Veranstaltungen ungebrochen hoch ist, sieht man derzeit an mehreren Negativbeispielen für Toleranz gegenüber der LBGTQ+ Community in Europa, wie etwa der transfeindlichen Stimmung in Großbritannien oder der Gesetzgebung in Ungarn, wo Homo- und Bisexuelle zwar relativ geschützt sind, die Rechte von trans Menschen jedoch zunehmend beschnitten werden.

Christopher-Street-Day in Osteuropa: Warum Pride und Solidarität so nötig sind

Ein weiteres großes Negativbeispiel findet sich in Polen. 2004 und 2005 wurde die Veranstaltung von der Stadtverwaltung Warschaus verboten. 2006 kündigten aufgrund der hohen Aufmerksamkeit, die diese Verbote in Europa mit sich brachten, mehrere Prominente ihre Unterstützung durch ihre Anwesenheit an. Die polnische Regierung reagierte darauf, in dem Wojciech Wierzejski dazu aufrief, mit Knüppeln gegen diese vorzugehen.

2007 wurde Polen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für schuldig befunden, das Recht auf Versammlungsfreiheit damit grundlegend verletzt zu haben.

Nach einigen wenigen ruhig verlaufenen Veranstaltungen, spitzte sich die Lage 2019 zu, als ein Demonstrationszug von queeren Personen in Bialystok in Ostpolen von Rechtsextremen und Hooligans aus der Fußballszene angegriffen wurden.

Eine Demonstration von Homosexuellen. Symbolbild
Quelle: Peter Kneffel/dpa

Die rund 800 LGBTQ+-Demonstranten waren mit Flaschen, Pflastersteinen und Knallkörpern beworfen worden. Als wäre das nicht beschämend genug, legte der polnische Präsident Andrzej Duda während seines Wahlkampfs nach, indem er sich sinngemäß äußerte:

„LGBT sind keine Menschen, sondern gefährliche Ideologen, noch schädlicher als der Kommunismus.“ 

https://wiadomosci.wp.pl/andrzej-duda-o-lgbt-probuje-nam-sie-wmowic-ze-to-ludzie-a-to-ideologia-6521010473220225a

Die Reaktion aus der Bevölkerung war eine noch derbere Enttäuschung für Toleranz und Akzeptanz. Rund ein Drittel Polens erklärte sich selbst zur „LGBT-freien Zone“. Die Organisation „Atlas des Hasses“ veröffentlichte eine Karte, auf der diese Zonen markiert wurden um zu verdeutlichen, welche dramatischen Ausmaße der Hass auf queere Menschen in Polen erreicht hat.

Diese Karte verdeutlicht, wie groß die Ablehnung der LGBTQ+-Community in Polen ist.
Quelle: Screenshot https://atlasnienawisci.pl/ 

Nicht nur in Polen und Osteuropa…

Als wäre all das noch nicht traurig genug, beobachten wir diese Entwicklung aktuell in immer mehr osteuropäischen Staaten. Statt die gewünschten Schritte nach vorne zu gehen, postieren sich manche Regierungen ausdrücklich zurück und bedrohen die Freiheit und körperliche Unversehrtheit der queeren Gemeinschaft in ihren Ländern.

Doch auch im Westen Europas scheint der Regenbogen nicht immer und überall. So gibt es im deutschsprachigen Raum derzeit massiven Widerstand, ja sogar regelrechte Attacken gegen das Konzept der gendergerechten Sprache. Im deutschen Bundestag wurde kürzlich gegen das so genannte Selbstbestimmungsgesetz gestimmt, welches den Weg für trans Menschen erheblich erleichtern sollte. Selbst innerhalb der Grünen, einer Partei, welche als besonders LGBTQ+-freundlich gilt und welche einen der zwei Gesetzesentwürfe vorlegte, werden immer wieder transfeindliche Positionen laut und auf Parteitagen geäußert. In Großbritannien findet eine regelrechte Hetze auf trans Menschen statt.

CSD ist nur für Homosexuelle? Falsch.

Und genau deshalb ist es gut, wichtig, wertvoll und das einzig Richtige, den Christopher-Street-Day zu feiern. Wir sollten uns alle, ob queer, trans, bi, homo- oder asexuell, straight, BDSMler:in oder Vanilla, auf den Pride Parades, den Christopher-Street-Days oder den „schwulen Karneval“ Veranstaltungen sehen lassen, wenn wir die Möglichkeit haben, um unsere Unterstützung auszudrücken.

Denn es geht nicht mehr allein darum, zu zeigen, dass homosexuelle, queere und trans Personen vorhanden sind, nicht mehr allein um das Andenken an einen dramatischen Fall von Willkür, Polizeigewalt und Diskriminierung aus der Vergangenheit. Es geht um das hier und jetzt.

Wir alle haben die Pflicht, für die Rechte, die wir hier genießen aber in anderen Ländern mit Füßen getreten werden, aufzustehen. Das wir unseren Geschwistern und Nonbinary-People aus der LBGTQ+-Community zeigen, dass, selbst wenn wir ihre Neigung, Sexualität oder Identität nicht teilen, wir für sie da sind und ihre Rechte verteidigen.

Dieses Privileg sollte keines sein. Es sollte selbstverständlich sein.

Übrigens: Solltest du von Hass und Hetze betroffen sein, vor allem im Netz, findest du hier einen interessanten Leitfaden, wie du dich schützen kannst.

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